Hier Da

 

Hier Da fragt an einem manchmal mehr, manchmal weniger, vermeintlich langweiligen Ort städtischen Alltags Vorbeigehende, Stehenbleibende, Herumsitzende, Wartende, was sie von hier da halten, erlebt haben, woran sie sich erinnern. Von welchem Ort dieses Stimmengewirr spricht, wird in der nächsten Ausgabe verraten.

 


Früher war da gar nix, da war nix. Die U-Bahn ist g’fahren, da unten, und sonst war nix. Manchmal sind Burschen kommen und haben der U-Bahn Zeichen geben, dass die U-Bahn irgendwie hupen soll, das hat sie g‘macht, aber das war auch schon der Höhepunkt. Ich hab das dann selbst mal ausprobiert, hab mich hing’stellt mit dem abgewinkelten Arm in der Höhe und so nach unten zogen. Ist vielleicht irgendso ein internationales Zeichen für Hupen. Ich mein, ich hab halt schon ein paar U-Bahnen abwarten müssen, aber…ja, ist ne gute Beschäftigung für nen netten Nachmittag, wenn einem mal langweilig ist. 

Sonst war’s halt eigentlich immer sehr eingeschlafen bisher. Dadurch, dass da der Fahrradweg ist, sind schon immer viele Leute vorbeigefahren, aber da war sonst nicht besonders viel los, jetzt ist es glaub’ ich anders. Nur ich weiß ja nichts zu sagen, ich bin ja nur so da. Hin und wieder, und dann vor allem im Frühling und Sommer, wegen dem Projekt. Das ist hier so eine Art kleine Bibliothek eigentlich. Wir sind untertags da und man kann sich Comics ausborgen und lesen, in der Zeit, in der wir offen haben. 

Jetzt muss ich ja ehrlich sagen, bin ich schon fast überrascht, was sich da abspielt. Es scheint so, als würd’s ziemlich gut funktionieren, so wie’s geplant war. Die Terrasse gibt’s ja noch nicht lang und auch diese Brücke, den Übergang da vorn. Ich mag das ja, dass man da so runterschauen kann auf die U-Bahn, das mag ich immer recht gern, und ich mag die Brücke, die mag ich sehr gern, weil ich Brücken mag. Ist gut, dass die jetzt da ist, dass es ein bisschen verbundener ist und nicht mehr so komplett getrennt zwischen den Bezirken… Man merkt halt, dass unser Bezirk jetzt auch attraktiv wird, oder? Das ist ja per se nix Schlechtes, aber es werden dann über kurz oder lang auch die Mieten steigen, oder sind sie eh schon. Wir befinden uns da ja an der Grenze, im drüberen Bezirk ist es eh schon ziemlich arg…

Na, grundsätzlich find ich’s ja eh cool, was sie hier umgestaltet haben. Es gab vorher eben keine Möglichkeit sich herzusetzen und einfach mal zu sein. Bisschen laut ist es halt und wenn die U-Bahn fährt, dann vibriert alles, aber eigentlich nett mit dem Holz, die Möbel, mit den Pflanzen und alles… Wobei man könnt’ vielleicht sogar in diese Tröge, Gemüse, Nutzpflanzen reinsetzen anstatt irgendwie so verblühende Zwiebeln oder was das ist. Und es is’ halt auch alles so krass eingezäunt und alles so bisschen pseudofuturistisch… Aber es tut sich was, neuer Ort. Und im Bezirk drüben gibt’s ja sonst nicht so viele Aufenthaltsflächen. Da ist das fein, dass da was errichtet wurde. Zum Schmusen, da kann man gut schmusen, so am Abend, Sonnenuntergang. Geht ja eh grad unter, die Sonne – na, wie wär’s…? Die Fläche ist nämlich auch gar nicht blöd ausgerichtet, man hat lange Sonne. Sonst eine öffentliche Toilette wär natürlich schon auch praktisch bei sowas, wenn man den ganzen Tag da verbringen will. Überhaupt im Sommer jetzt dann zum Abhängen, zum draußen sein. Nicht immer in dieser Arbeit sitzen oder zuhaus’ vorm Computer, vorm Laptop, vorm Fernseher, wenn’s die noch gibt…

Draußen, da kriegt man dann auch bisschen Farbe und so halbwegs frische Luft, bisschen Smog natürlich auch, aber ja… Is’ eh leiwand da, geil, zum Rauchen, aber wär’ schon gut, wenn‘s weniger Interviews gäb’, so überhaupt. Sorry, das war bisschen direkt, wir sind grad so ein bisschen am Rauchen, weißt du. Wir sind so Gangsta und so. Aber sind eh nicht viele Bullen da. Manchmal schon, da waren so Skater, die haben da Videos gedreht, da war die Polizei da und ein paar Leut’ haben sich aufgeregt. Und ich hab am Vormittag auch mal so Leute gesehen, die haben da Yoga gemacht mit Yoga-Matten, voll professionell, das find ich schon irgendwie cool. Ich mein, in meinem derzeitigen Zustand würd’ ich selbst eh nicht mitmachen, aber so verschiedene Leut’, die das nutzen, das ist schon interessanter zum Schauen…

Ich mach ja jetzt Pause hier, noch nicht Feierabend. Ich bin da vorn Tischler, ganz in der Nähe ist die Arbeit, ums Eck, schau’ das schöne Haus, vor der Ecke, bei den Blumen, das nächste und dann vis-a-vis. Aber jetzt bisschen Pause – und auf der Baustelle sitzen und warten?? Nein, ist schöner hier, dieses schöne Wetter und bisschen Kontakte zu anderen Leuten, Zeitung lesen, sitzen, schauen, eine Stunde warten, erste Wand muss trocknen, dann fertig streichen, duschen, Essen kochen und dann Bett. Ganze Woche, ganzes Monat, immer. Diese zwölf Stunden Arbeit. Nächster Tag, nächster Tag, nächster Tag – bis zum Tod. Ich bin ja zwei Mal von Gott zurück, hatte Unfälle mit dem Auto, ja, ich schaue. was da oben ist, einmal dieser schöne Tunnel, viele Leute, Musik, da war ich zwei Tage im Koma, im Spital. Aber bis dahin ist es in Österreich besser. Kein Kampf, oder Krieg, oder Probleme. Normale Leute, Kopf funktioniert normal, Arbeit und jetzt eben Pause, ist schön ruhig, das ist besser für mich, ohne Stress.

Im Winter und auch noch Frühling war’s ja leider so lang gesperrt, das versteh’ ich gar nicht, warum das überhaupt abgesperrt war. Bis zum 1. April, glaub ich, oder noch länger, mit einem Zaun. Ich mein’ man kann leicht drüberklettern, es war ja dann oft schon schön warm und dann möcht’ man das hier ja nutzen. Da sind die Leute dann eh über die Absperrung klettert, ich auch. Man weiß sich ja zu helfen, manchmal zumindest.


Hier sprechen dreizehn Leute.

Das letzte Mal sprachen hier Leute in der Thelemangasse und im mo.ë. (Hernals, 17. Bezirk).