Auf unserer Recherche, wie Ungarn sich informieren und welche Nachrichtenportale es dazu gibt, konnten wir nicht umhin auch eine regierungsfreundliche, als rechts-radikal eingestufte Seite anzufragen.
magyar version
László Bertha, 26 Jahre, Stellvertretender Chefredakteur der Nachrichtenwebseite 888.hu
Wie beschreibst du 888.hu?
- Wenn ich es in einem Satz beschreiben müsste, was 888.hu ist, dann würde ich sagen, es ist eine Art Zynismus gegenüber der leeren liberalen Welt. Die Politik durchlebt gerade einen fundamentalen Wandel, der auch die Rechte betrifft. Die Rechte sucht gerade nach neuen Ausgangspunkten. Wir sehen uns als Mitglieder einer Generation, die die Logik des 20. Jahrhunderts beenden möchte. Wir reden offen über die Welt und ihre derzeitigen und möglichen Probleme. Diese Webseite richtet sich an junge Leute, bei denen andere rechte Seiten versagt haben, sie zu erreichen.
- Was meinst du mit „leerer liberaler Welt“?
Mit leerer liberaler Welt meine ich politischen Nihilismus. Der Liberalismus lehnt alle traditionellen Werte ab und das hat in westlichen Gesellschaften zu einer Identitätskrise geführt. Und diese sind jetzt eine „leere“ oder auch „leergefegte“ Welt.
- Was meinst du mit der „Logik des 20. Jahrhunderts“, die ihr beenden möchtet?
Ich meine damit die Ideologien, die sich im 20. Jahrhundert durchgesetzt haben. Dieses Jahrhundert war, um nicht zu sagen: „überidologisiert“ und das konnte zu Kommunismus und Nationalsozialismus führen. Die Linke und die Rechte haben beide Schuld daran. Aber das ist Vergangenheit. Wir denken nicht mehr in Ideologien, wir folgen einer politischen Richtung. Das ist ein wichtiger Unterschied. Wir gehören zur Rechten, daher ist der Konservativismus uns am ehesten am Nächsten. Konservativismus ist aber keine Ideologie.
- Welche Art Nachrichten verbreitet ihr auf 888.hu?
Grundsätzlich machen wir Nachrichten und Meinungsmeldungen, die von der Politik bestimmt werden. 888.hu spezialisiert sich auf Außenpolitik, wir legen aber auch einen besonderen Schwerpunkt auf innenpolitische Themen. Dementsprechend beschäftige ich mich auch mit Politik.
- Wie lange arbeitest du schon für 888.hu?
The Seite ist am 18. September 2015 online gegangen, also ein ganz neues Projekt. Ich bin seit Anfang an dabei und arbeite derzeit als stellvertretender Chefredakteur.
- Wie siehst du 888.hu im Vergleich zu anderen ungarischen Medien?
Ich kann über alles schreiben, was ich möchte. Hier muss ich aber eine wichtige Anmerkung dazu machen: ich habe nie behauptet, dass wir unabhängig sind. Ich sehe mich selbst nicht als unabhängig. Jeder Journalist vertritt eine Meinung, sie verleugnen es nur. Das passiert in Ungarn genauso wie in den USA, die „objektiven“ Medien (zum Beispiel CNN) arbeiten als Instrumente der Politik, genau so, wie uns das vorgeworfen wird. Die primären ungarischen Nachrichtenseiten verwenden nie das Wort „Immigranten“ und bezeichnen den Grenzzaun als Eisernen Vorhang. Dahinter stecken politische Intensionen, aber das streiten sie ab.
- Wenn du sagst, du bist nicht unabhängig, von wem bist du abhängig?
Wie ich gesagt habe, ich habe meine politischen Sichtweisen und Werte - das zeigt sich in meinen Artikeln und es sind die gleichen Werte und Sichtweisen, die 888.hu vertritt. Ich bin nicht neutral. Ich würde also nicht behaupten, dass ich unabhängig bin. Dieses Wort „unabhängig“ wurde von Lesern in Verruf gebracht (in Ungarn zumindest).
- Was sagst du zu den Entwicklungen in der ungarischen Medienwelt (Zeitungen wurden zugesperrt, etc.) und wie wichtig empfindest du Nachrichten um einen politischen Wechsel zu ermöglichen?
Zur Zeit gibt es große Veränderungen in der ungarischen Medienlandschaft. Alles ist in Bewegung, aber wir könnten nicht sagen, dass diese Veränderungen drastisch wären. Vielleicht wirkt das anders, weil die Nachrichtenseiten begonnen haben, sich gegenseitig Beachtung zu schenken. Die Medien sind politische Player geworden. Wir würden nicht sagen, dass wir (die Medien) die Geschehnisse der Welt als bloßer Beobachter vermitteln. Die Einstellung der Népszabadság* ist Teil der Veränderung [in Ungarn], das gleiche ist davor mit den rechten Zeitungen passiert. Es tut mir leid für die, die ihren Job verloren haben aber es muss als Symbol gesehen werden. Als Symbol für das kommunistische Kádár** Regime. Viele Leute denken, dass damit der Systemwechsel sich vollendet. Ich denke nicht, dass wir uns Sorgen machen müssen über die Pressefreiheit.
- Wie viele Leute arbeiten für 888.hu und wer bezahlt euch?
Etwa 20 Leute, davon 12 Journalisten. Der Herausgeber ist die Modern Média Group Zrt.***
- Woher bekommt ihr eure Informationen?
Ich bekomme meine Informationen von Nachrichtenagenturen, anderen Nachrichtenseiten und meinen persönlichen Kontakten.
- Was ist das Ziel von 888.hu?
Wie ich schon gesagt habe, 888.hu ist ein ziemlich neues Projekt, das es erst seit eineinhalb Jahren gibt. Jetzt schon ist 888.hu zum meist gelesenen rechten Nachrichtenportal in Ungarn geworden. Wir werden mit Breitbart**** verglichen. Tatsächlich glaube ich, dass es einige Parallelen zwischen uns gibt. Was unsere weiteren Ziele sind? Ich denke, wir sollten uns weiter entwickeln und verbessern. Wir möchten eine entscheidende Rolle in der ungarischen Medienlandschaft spielen. Die linksliberalen Medien sind noch immer stärker vertreten als die gegenteilige Seite. Das möchten wir ausgleichen.
Fußnoten.
*Népszabadság war bis Oktober 2016 die größte politische Zeitung Ungarns. Mitarbeiter der Zeitung sprechen von einem Putsch als die Zeitung im Oktober 2016 geschlossen wurde. Bis zuletzt hatte die Zeitung Regierungsskandale aufgedeckt (Quelle: süddeutsche.de)
Der Besitzer der Zeitung ist der Österreicher Heinrich Pecina (über sein ungarisches Medienhaus „Mediaworks“). Er spricht in einem Interview von rein wirtschaftlichen Gründen, die Zeitung zu schließen. (Quelle: presse.at)
**Kádár war ein kommunistischer Politiker und bekleidete von 1956 bis 1988 das Amt des Generalsekretärs der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei. Er war außerdem auch Ministerpräsident. Er gilt als einer der Hauptverantwortlichen für den gewaltsamen Niederschlag des Bürgeraufstandes 1956. Er folgte einen moskautreuen Kurs, hatte innenpolitisch allerdings Spielräume, was der ungarischen Regierung den Spitznamen „Gulaschkommunismus“ einbrachte.
*** Die MMG gehört zu 50% Árpád Habony und zu 50% Tibor Györi. Beide gelten als enge Freunde und Berater von Orbán.
****Breitbart ist eine rechtskonservative bis rechtspopulistische Nachrichtenseite in den USA. Gegründet wurde sie 2007 von Andrew Breitbart (gestorben 2012). Die Seite gilt als eines der wichtigsten Sprachrohre der alternativen Rechten.