Das Spannungsfeld zwischen Bauch und Kopf ist auch ein Kunstort.

 


Die Künstlerin ONA B. spricht über Künstlersolidarität, Strategien in der Kunstwelt und wie es ihr gelingt, sich Kategorisierungen zu entziehen.

 


Sie ist Videokünstlerin, Performerin, macht Land Art, große Malerei, Konzepte, Objekte und Musik und ist Mitglied der Künstlergruppe »DIE DAMEN«, die mit feiner Ironie und Humor seit 1987 Gesellschaftskritik in die Kunst einbringt. ONA B. arbeitet an einem Gesamtkunstwerk, das ihr Leben ist, eigenwillig, ohne Regeln und gesellschaftliche und persönliche Tabus hinterfragend. In ihrem Atelier hörten wir der Künstlerin beim laut Nachdenken zu, ein Selbstgespräch.


Ich bin mit dem Lebensgefühl aufgewachsen, dass diese Stadt mir gehört. Wien ist mein Biotop, das mich nährt. Die Vielfalt, das immer wiederkehrende Spiel mit der Ambivalenz, schafft Bewusstsein und hält mich wach. Ich lebe im Kopf ständig in meinen Projekten, für die ich real oft auf Reisen gehe, so dass ich dann die kurze Zeit in Wien extrem genieße. Ich war schon immer sehr neugierig und hatte deshalb den meisten anderen etwas voraus. In meiner Studienzeit war Globalisierung noch ein Fremdwort, es gab kein Internet, kein Mobiltelefon und jeder war auf seine eigenen Informationsquellen angewiesen. Ich fand das gut. 


Ich kann schwer dort dabei sein, wo Eindimensionalität verlangt wird. Ich finde es interessant, zusätzlich zu meiner eigenen Arbeit in einer Gruppe zu arbeiten, um neue Konzepte zur politischen und gesellschaftlichen Innovation zu entwickeln oder einen kritischen Kommentar zu geben. Ich mag Projekte, die ich mitentwickeln kann, Gruppen, die sich solidarisieren und Projekte, bei denen es um Prozesse geht. »DIE DAMEN« ist so eine Gruppe. 


Ich war nie im monothematischen Denken gefangen. Ich arbeite situationsbedingt und kontextbezogen, gehe von einem Thema aus, von einem Ort, oder einer politischen Situation. Wenn bei einem Projekt alle zusammenspielen, sich gegenseitig befruchten und sich so zu einem informierten und offenen Ganzen entwickeln, empfinde ich das als einen Baustein für eine funktionierende Zivilgesellschaft. 


Ich arbeite auch autobiografisch, auch wenn das manchmal mehr oder weniger verschleiert ist. Alles hat mit mir zu tun. Weil mich vieles interessiert und inspiriert, beziehe ich die Welt auf mich – und umgekehrt.


Kunst ist immer politisch. Alles ist politisch. Die Politik hat die Kunst zu interessieren und die Kunst hat die Politik zu interessieren Es muss ein kulturelles Biotop geben, nicht nur Kunst als Tourismusbeiwerk: zehn hochdotierte Künstler und der Rest ist egal. Im unregulierten Kapitalismus wird die Kunstszene zum Markt. Kunst biedert sich an und verliert die Inhalte aus dem Blick. Es geht immer mehr um Geld und um Ranglisten. Ich finde es notwendig, die Kunst auch als Forschungsgebiet zu sehen, das sich unabhängig von einem Kaufziel entwickeln kann. Die Politik hat auch in der Kunst einen sozialpolitischen Auftrag. Kunst ist nicht nur für Eliten da. Kunst muss in den Alltag einfließen. Das tut sie bei uns teilweise. Wenn die Politik den Einfluss auf die Entwicklung der Kunst völlig aus der Hand gibt, überlässt sie die Entwicklung allein der Wirtschaft und den Käufern. Dazu ist Kunst zu wichtig und gesellschaftsformend. Deshalb bin ich für ein Grundeinkommen für Kulturschaffende!


Ich empöre ich mich über Dinge und daraus entsteht Inspiration – oder aus Traurigkeit oder Freude. Eine Mischung aus Zweifel und politischer Verdrossenheit und meine Unfähigkeit, Schlechtes zu akzeptieren, motivieren mich. Meine Arbeit geht oft von einem Gefühl aus. Natürlich passiert gleichzeitig viel im Kopf. Auch das ist wichtig. Das Spannungsfeld zwischen Bauch und Kopf ist auch ein Kunstort.


Ich bewundere Querdenker und Visionäre wie Friedrich Kiesler, der sich als Konstrukteur der Gesellschaft begreift und der damit auch Denk- und Gesprächsräume schafft. Ich gehe diesen Weg, den er mit seiner ganzheitlichen und interdisziplinären Arbeitsweise verfolgt hat. Es ist schön, wenn man furchtlos alles auf den Kopf stellt, um neuen fantastischen Raum zu suchen.