Im Gespräch mit … kampolerta

 

 

Welche Möglichkeiten bietet der öffentliche Raum abseits herkömmlicher Nutzungen und Anforderungen? Dieser Frage geht seit 2007 kampolerta mit Raumexperimenten nach. stadtform hat sich mit zwei Mitgliedern des Landschaftsarchitektinnenkollektivs, Michael Franz Woels und Srdan Ivkovic, getroffen, um über deren Arbeit und Erfahrungen zu sprechen.

 

Wer und was ist kampolerta?

Michael Franz Woels: Wir sind 13 Leute und haben uns an der Universität für Bodenkultur gefunden. Wir kommen von der Landschaftsarchitektur und hatten vor allem das Interesse am öffentlichen Raum und den Wunsch selber aktiv zu werden gemein. So entstand dann kampolerta. kampo heißt übrigens auf Esperanto Feld und lerta so viel wie geschickt.

Srdan Ivkovic: Es geht darum, zu fragen, was gibt es an Möglichkeiten im öffentlichen Raum, was kann ich abseits von den genormten, vordefinierten Nutzungen und Erwartungen realisieren? Es ist der Versuch, Potentiale aufzuzeigen, die Menschen zum Mitgestalten des öffentlichen Raums zu motivieren.

 

Wie setzt ihr das konkret in euren Projekten um?

Srdan: Der Begriff Umnutzen war von Anfang an sehr wichtig. Eine der ersten Aktionen betraf die Umnutzung von Aschenbechern in U-Bahnstationen. Durch die Rauchverbote wurden diese obsolet. Wir haben die Aschenbecher in Pflanzentröge umfunktioniert. Mit der Zeit gab es dann größere Projekte. Eines davon war 2008 die Zwischennutzung am Genochmarkt, einem aufgelassenen Markt im 22. Bezirk, gemeinsam mit der Initiative MIK (Mobile Initiative Kultur). Wir haben dort verschiedene Aktionen wie ein Sommerkino, ein Freibad, Workshops und Führungen unter dem Motto Holiday in Stadlau veranstaltet. Da kamen auch viele Leute zum Beispiel am Heimweg von der Arbeit vorbei und haben sich gefreut, dass am Markt etwas stattfindet.

 

Was ist euer Antrieb, was wollt ihr durch das Engagement mit kampolerta bewirken?

Michael:

Bei mir war es unter anderem das Interesse am Thema Performance im Zusammenhang mit öffentlichem Raum. Ich finde es schön, wenn Sachen nicht ewig bleiben, sondern nur kurz passieren. Aber bei den Leuten, die die Aktion wahrgenommen haben, kann das schon für Veränderungen sorgen. Das ist eigentlich etwas kontra-landschaftsarchitektonisch, wo man vor allem längerfristige Setzungen plant, aber ich finde dieses Feld Planung versus Improvisation sehr spannend.

Srdan:

Es ist ja auch nicht unser Wunsch, dass wir uns verewigen. Es geht darum, Impulse zu setzen, und dann abzuwarten, wie sich das weiterentwickelt und wie die Menschen reagieren.

 

Warum fallen euch Potentiale für andersartige Nutzungen auf, während andere das nicht sehen?

Michael:

Ich glaube, dass das für viele Menschen der öffentliche Raum in seiner Funktion vorrangig als Transitraum wahrgenommen wird: einfach von A nach B zu kommen. Da tauchen wenig Gedanken auf wie ‚He, den Parkplatz oder Gehsteig könnt’ ich auch so oder so nutzen’. Es ist wahrscheinlich auch eine Zeitfrage, dass man eben die Möglichkeit hat, sich wirklich intensiv mit dem Thema zu beschäftigen.

 

Ihr wählt oft einen spielerischen oder experimentellen Zugang bei euren Projekten. Woher kommt das? Ist das ein Ding, das euch einfach liegt?

Michael:

Es wohnt der Improvisation ja oft etwas Spielerisches inne. Wenn man die Projekte als Experimente bezeichnet, dann ist es natürlich hilfreich, wenn man einen lockeren oder spielerischen Zugang hat und bei der Umsetzung flexibel bleibt. Das Spielerische ist für mich einfach auch das Lustvollere, die Freude-betontere Art, Sachen zu machen, und dadurch eben Leute zu begeistern.

Srdan:

Das Experimentelle kommt auch davon, dass es unser Wunsch war, mit anderen Akteuren und Akteurinnen im öffentlichen Raum in Interaktion zu treten. Und das ist eine Angelegenheit, die nicht vollkommen durchgeplant werden kann. Manchmal sind die Aktionen auch nicht nach der Norm, aber meistens werden sie von den Beteiligten begrüßt. Das ist eine Grauzone und die gilt es auch auszureizen. Da ist der spielerische Zugang, am besten geeignet.

 

In Wien sind Veranstaltungen in öffentlichen Räumen stark reguliert, was spontane Initiativen eher hemmt bzw. zumindest erschwert. Wie handhabt ihr das?

Michael:

Hinsichtlich kampolerta, glaube ich, gibt es eine gewisse Sukzession. Unsere ersten Aktionen waren eher in Richtung Graubereich organisiert und jetzt später, vor allem wenn wir auch gemeinsam mit anderen Künstlergruppen Projekte machen, braucht es dann schon oft eine andere Form von Legalität.

Srdan:

Ja, das war für uns auch ein Lernprozess. Ein wichtiger Schritt war die 24h kampolerta city bei der Handelskaiabfahrt der Süd-Ost-Tangente, die auch in Rahmen von KÖR (Kunst im öffentlichen Raum) stattgefunden hat. Dadurch, dass eine neue Zufahrt gebaut wurde, ist ein Stück der Autobahn obsolet geworden und wurde von uns umgenutzt. Wir hatten hier eine ‚Stadt‘ innerhalb von 24 Stunden erschaffen. Da haben wir lange vorplanen müssen, um die Rahmenbedingungen zu klären. Dieses Projekt konnten wir dann auch dadurch umsetzen, indem wir es als eine politische Demonstration anmeldeten. Es ist manchmal schon schwer einzuordnen: Ist das jetzt noch legal? Dadurch kann schon eine Diskussion über und eine Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum entstehen.

 

Gibt es Orte, Bezirke, Grätzel, die ein bestimmtes Augenmerk von euch bekommen?

Srdan:

Ich glaube schon, dass Transdanubien so ein bisschen Anziehungskraft hat, quasi terra inkognita. Die Infrastruktur ist eine ganz andere, es gelten andere Maßstäbe. Da ist vieles im Wandel, noch vieles undefiniert und vor allem gibt es auch genug Raum. So Brachland, Baulücken, Gstetten-Flair, das finden wir schon spannend.

Wir haben da unter anderem die Thementour Kreuzfahrt zu Verkehrsinseln gemacht, wo wir mit Mitreisenden Autobahn-Grünflächen besucht haben. Das ist einfach ein völlig monofunktionaler städtischer Raum und wir haben da ganz andere Nutzungen ausprobiert – Picknicks gemacht, Aussichtspunkte gesucht und einfach diesbezüglich die Wahrnehmung geschärft.

 

Wie gestalten sich die Reaktionen auf eure Projekte? Gibt es auch negative Reaktionen?

Michael:

Für mich gab es die lustigste negative Reaktion bei der Aktion Parkrasen. Da haben wir Autodächer begrünt. Das waren aber eh nur Autos von uns oder Befreundeten oder an der Aktion Interessierten. Da hat es dann einen Blog-Kommentar eines Anrainers gegeben, der so gemeint hat: ‚Wenn die G’fraster des auf meinem Auto machen …!’ – aber der hat halt nicht gewusst, dass das unsere Autos waren …

Srdan:

Also ausdrücklich negative Reaktionen habe ich nicht erlebt, sondern eher, dass die Menschen verwundert sind. Und wir versuchen immer bewusst mit den Menschen vor Ort die Qualitäten vor Ort hervorzuheben.

Michael:

Was auch sehr positiv ist, wenn die Ideen und Impulse weitergetragen werden. Ein Beispiel: Am Schöpfwerk sind bei einem Projekt Tröge begrünt worden, die sind brach gelegen. Später haben zum Teil vorbeikommende Leute bei der Begrünung mitgeholfen.

Srdan:

Genau, dieses Projekt ist so weitergegangen, dass sich Menschen dann so frei gefühlt haben, Obst und Gemüse in eine grüne Fläche zu pflanzen, die bis dahin nicht verwendet wurde. Vielleicht ist das jetzt nicht nach der Hausordnung, aber es stört auch niemanden.