Brustbauers Kolumne.

 


Wenn die Zeiten schlecht sind, ist der Sex am geilsten. Mutmaßung. Aber Kate und Leo auf der Titanic, Camilla und Charles mit dem Tampon, Nero und wer auch immer vor dem brennenden Rom. Schon geil, die Vorstellungen, das Empfinden, die Lust. Zeitlos offenbar, auch ein wenig erröterisch, aber das ist Sex ja immer. Zeitgleich, alles, romantisch und dreckig, wenn er gut ist, gebündelt im Augenblick dann meist. Wenn du Glück hast, holt dich der kleine Tod mit seiner Sense und wenn du Pech hast, spritzt er dir auch noch ins Gesicht. Ansichtssache, was davon da dann das Glück und das Pech ist. Oder wer es ist, der oder die es hat.

 

Das Problem jetzt, darüber sind sich das ich und du einig, heute wirst du das gar nicht mehr gefragt, ob dir das gefällt. Wir werden von oben bis unten zugepickt. Und deshalb ist die Vorstellung, die bisher im Varieté Paradies auf dem Programm stand, in die Bar Garten-ohne-Eden verlegt worden. Mehr mau als wau. Die Zeiten sind schlecht, das weißt du, das ich weiß, dass du das weißt. Und dennoch, nix zu sehen von diesem guten Sex. 

Wo, kam das her, und, soll das weitergehen? Gefühlt nirgends ist es gerade geil. Gerade war doch aber noch Sommer. Fragst du dich und erkennst, der Winter hat gefühlt schon seit Jahren nicht mehr Auszug gehalten. Aber versprochen, was er ist, hat er sich mittlerweile ständig. Kein schönes Wetter, keine heiße Temperatur. Kein konkretes Wort ist von ihm zu hören. Die Hoffnung, von der Eisprinzessin statt in Beton gegossen am Stil erfroren. Aber schön ist sie dann halt schon gewesen. Darf sie das? Darf der Winter das oder ist das schon zu viel? Der Alkoholpegel war vom Sommer leicht erhöht. Einfach ist das nicht, was der verspricht,zu halten, erst recht nicht aus. Die Libido hat die Konsequenz zu tragen und geht jetzt low und deep und down. Die Verwirrung ist dann groß, wenn du schon selbst sagst, rette mich vor mir selber. Aber bist das Selber denn wirklich noch du selbst? 

Wo leben wir denn bitteschön, wenn das jetzt geil sein darf und noch dazu auch soll? Die Zurückhaltung war scheinbar gestern, denkst du dir, aber nachweinen geht jetzt auch nicht.Weil du bist wütend und ziehst deine Lederhose an. Weil die Lederhose bestimmt ab jetzt, wofür die Zeit 2016 reif ist. Wer sich da noch wundert, was möglich ist, hat keinen Platz im Morgen. Auf einmal bist du der, der schreit: „Der Sex muss draußen bleiben!“ Draußen aus Facebook, draußen aus dem Film, draußen aus der Politik, draußen aus der Welt. Er soll ruhig dort vor sich hingängeln. Lieber ich als du soll am Band der Zeit hängen, in der wir gemeinsam leben. Aufhängen? Na, soweit bist du nicht gegangen. Das muss ein Troll gewesen sein. Wenn’s nur das gewesen wär, dann wär es nicht wild. Hinterzimmer wär’s geblieben, aber das Hinterzimmer hat sich auf die Bühne gedrängt und spielt jetzt den Landser auf.

Und wie soll das jetzt weitergehen? Deine Segel sind gestrichen, für das Streicheln hast du Dornenhandschuhe bekommen. Die neue Zärtlichkeit tut weh. Natürlich nur den Anderen. Woran musst du denken, damit du Erregung verspürend versprühst? Genau, die Vergangenheit, weil das Heute, eher so abtörnend für dich. Good old times, aber auf Deutsch! Weil hier gibt es nur teutshen Sex. Sogar auf die Orthographie tust du im Jetzt jetzt nichts mehr geben wollen, weil dafür keine Zeit. Rufzeicheneinself und große Buchstaben ersetzen die primären Geschlechtsmerkmale, die du der Gesellschaft ins Gesicht streckst. Nichts macht mich gerade schärfer als dein Brennen. Heiß wird mir nur im falschen Sinn, ich bekomm einen Haßen. Weil das Einzige sind die Meinungen, was sich erigiert, wie sonst nur die Proletenspargel in der Pyramide Vösendorf, wenn gerade wieder Erotikmesse ist. Alles immer schön auf die Spitze treiben. Ja, das können wir. Hmmm, das fühlt sich so rischtisch schön geil an, das Anmachen. Komm schon, du Sau, mach mich an, dann mach ich dich auf. 

Wir reiben uns aneinander, bis alles schön feucht und klebrig ist. Aber anstatt, dass wir zusammenpicken, willst du mir nur Ane picken. Wir spritzen uns die Verachtung gegenseitig ins Gesicht. Den Sensenmann, den brauchen wir jetzt nicht mehr, wir machen es uns selbst. Früher, als die Zukunft noch besser war, da waren wir alle happy. Einfach so ladida. Weißt du noch? Wir dachten so, was geht uns das an. Beischlaf? Ja! Aber der Traum ist ausgeträumt, vorbei die Schlaftrunkenheit. Unwiederherstellbar, verschwundenbarlich. Verniedlichung sind Katzenfotos und Brüste müssen hinter Pixel. Aber Ego-Shooter und im Wald ein bisschen Kriegspielen, das geht. Das macht hart. Die Gesellschaft und das Dich. Vorbei die Zeit, als wir uns gegenseitig Puderzucker in den Arsch geblasen haben. Aber weißt du was, das war kein Fetisch, das war leben, unschuldiges miteinander leben. Heute gilt nicht mehr, das schöne, leidenschaftlich gehauchte „Du Schwein“, sondern das erniedrigende, verachtende „Du Sau“. Du Sau, mach mich an, dann mach ich dich auf. Zurückhaltende Zurückhaltung hast du abgelegt. 

Wie kannst du nur? Du musst doch wissen. Ja, weißt du denn nicht? Einselfruzeicheneinself. Verachtung, Streit und Neid, zerstören. Dein Fetisch ist grauslich, sagt mein Fetisch und der hat recht, weil deiner ist falsch. So einfach ist das nunmal geworden. Nicht nachdenken, sondern nachreden. 

Willst du wirklich wissen, was ich geil finde? Dass ich dich nicht geil finde! Das macht mich erst so richtig geil. Und was richtig ist, das weiß nur ich. Mein Gott, es ist 2016 und die Zeit dafür war überreif. Aber anders gehört, werden wir uns noch wundern, was alles überreif ist. Der Eiter in deiner Beule, der Pilz auf deiner Haut. Das ist das Grausliche, was sich gelblich schon darunter abzeichnet. Was das ist? Das ist der Hass. Und wer presst mit den Fingern drauf rum? Immer nur die anderen? Die, die den hässlichen Fetisch haben? Ich bin sauber, ich bin rein? Ich steck ihn doch nirgendswo falsch hinein? Sind wir uns ehrlich. Wir sind das. Wir alle sind manchmal die dreckige Sau und vergessen unser glückliches Schwein.

Aber dein Fetisch war vielleicht mal meiner. Ich war mal anders, ich war mal du. Jetzt bin ich anders, sagst halt du. Denke richtig, hör ich’s schreien. Aber was ist richtig im Richtig, wenn alle stets falsch um sich herumliegen? Hauptsache die Richtung stimmt und ich hab die Wahrheit. Nur ich, ich ganz allein, hab es ja schon immer gewusst. Mein Fetisch, der ist zauberhaft künstlich und rein, aber deiner? Jetzt kann ich es sagen. Ich hab es ja schon immer gewusst. Und dann hast du recht. Weil das machen wir im Nachhinein schon richtig, von rechtswegen.  Vom Assi zur Fee bist du geworden und legst allen einen Zahn unter den Polster. So einfach das ist, war das schon immer. Piff paff puff. 

Wir leben in einer Zeit, die nur noch einen Fetisch kennt. Den Grauslichsten von allen. Dem, bei dem nix passt, überhaupt nix und nicht einmal das passt, weil irgendwie funktioniert die Welt ja trotzdem, auf ihre perverse Art und Weise, zu der wir sie gerade machen. Amoralisch, morbid und regelwidrig. So richtig, richtig schön pervers.